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Der Hindenburgdamm wurde 75 Jahre alt  - Sylt feierte


Hindenburgdamm 2001

IC auf der Fahrt nach Westerland/Sylt auf dem Hindenburgdamm im Sommer 2001

Die Geschichte des Hindenburgdammes

Alle Reisenden sollten sich bei der Überfahrt über den Hindenburgdamm eine einfache Formel merken: 50 Jahre wurde geplant, 4 Jahre gebaut - und in 10 Minuten fährt man rüber. An sich gehen Pläne sehr viel weiter zurück; denn so oft ein Sylter von Nösse, der Ostspitze Sylts, hinüberschaute zum Festland, entstand der Wunsch nach einer Verbindung mit dem Festland, besonders wohl bei denen, die mit dem "Eisboot' in Winterszeiten durch das vereiste Wattenmeer bei übelstem Wetter Versorgungsgüter und Nachrichten einholten.

Der entscheidende Impuls kam aus einer Zusammenkunft des Sylter Chronisten Christian Peter Hansen mit dem späteren Generalpostmeister Heinrich von Stephan, seinerzeit Kurgast in Westerland. Sie erarbeiteten am 16. Juni 1874 ein Grundkonzept für den Damm durch das Meer. 2 Jahre später untersuchte der Geologe Dr. Ludewig Meyn die Bodenverhältnisse des Wattenmeeres zwischen Sylt und der Wiedingharde/Festland und stellte einen tragfähigen Baugrund fest. 1877 forderte der Westerländer Badearzt Dr. Michael Marcus in seiner Schrift "Das Nordseebad Westerland" den Damm. Aber die errechenbaren Kosten würgten immer wieder alle Wünsche ab. Erst 1908 erfolgte ein neuer Anlauf, als in einer seltsamen Parallelität sowohl der Westerländer Bürgerverein als auch der Bahnhofsvorsteher Abraham von Niebüll mit einer Eingabe einkamen. Da auch die zunehmend große Zahl der Sylter Badegäste, darunter viel Prominenz, auf eine bessere An- und Abreise drängte, war der Dammbau nicht mehr aufzuhalten. Bis zum Kriegsausbruch 1914 waren alle Planungen abgeschlossen; dann aber musste das Projekt gestoppt werden. Es wurde aber erneut und außerordentlich akut, als mit der Volksabstimmung 1920 über die deutsch-dänische Grenze die alte Kreisstadt Tondern mit ihrem Hafen Hoyerschleuse an Dänemark fiel. Die herkömmliche Verbindung nach Sylt ging nun durch dänisches Hoheitsgebiet.

Eine "deutsche" Verbindung war zwingend geworden: Der Damm; in den Schubladen lagen seit Kriegsbeginn alle Bauunterlagen bereit. Bis 1923 war die Bahnlinie Niebüll-Klanxbüll gebaut, so daß vomFestland her die Bauarbeiten anlaufen konnten. Aber gegenüber den Planungen verlief die Praxis gegenläufig: Das Spülmaterial aus dem Wattenmeer, der Klei, war zu fein: Jede Flut nahm einen Teil des aufgearbeiteten Unterbaus wieder fort. Der Materialtransport war zu schwierig, weil er wegen zu flachen Flutwassers über weite Schlickstrecken erfolgen mußte; und dann räumte die schwere Sommersturmflut vom 30. August 1923 die gesamte Arbeit eines halben Jahres davon und lehrte die Dammbauer, dass das Konzept nicht stimmte; und es ist das Verdienst von Dr.-Ing. Hans Pfeiffer, ohne Zeiteinbuße ein völlig neues Konzept entwickelt zu haben: Als Rückgrat des neuen Dammes wurde nun auf der Südseite eine Spundwand gesetzt. Auf Pontons schwimmende Spülrohre waren sehr viel beweglicher bei der Materialein-spülung als die bislang fest verlegten Rohre. Die Spundwand verhinderte das Weg-schwemmen des Spülgutes und sicherte das Geschaffene. Sie reichte 50 cm über das Hochwasser hinaus und konnte täglich um 53 m vorangetrieben werden. An Sturmtagen wurde sie überflutet und gab so dem Wasserdruck nach. In den querläufigen Prielen hatten die Spundwandbohlen bis 12 m Länge. Waren sie gesetzt, wurden sie sofort verzimmert und abgesichert. Lorengleise bildeten eine Kopfverstärkung; und die unermüdlichen Loren als Materiallieferanten begannen ihre Arbeit, indem sie zu beiden Seiten der Spundwand Granitblöcke einschütteten, und es war, "als ob man Gold ins unersättliche Meer schütte". Parallel zur Spundwand verlief auf der Nordseite im Abstand von 50 m - entsprechend der Sohlenbreite des Dammes - eine Buschlahnung, so daß sich die "Straße durch das Meer" alsbald abzeichnete, nur mußte sie aufgefüllt werden: Im Unterbau mit eingespültem Sand und Feinschlick, im Oberbau mit Trockenmaterial das Lore um Lore angefahren werden mußte. Besonders gutes Trockenmaterial (schwerer Kies und schwarzer Ton) fand sich auf Sylt. Nachdem die Spundwand am 15. 9. 7925 geschlossen werden konnte und damit die erste Schienenverbindung zwischen Insel und Festland sogar sehr feierlich eröffnet wurde, setzten die Bauarbeiten von Sylt aus ein, dem Vortrieb vom Festland entgegen. 1926 war ein gutes Jahr, und die Bauarbeiten kamen so voran, daß der Dammkörper im Herbst den Meeresspiegel um 2 m überragte. Die Böschungen waren mit Basalt-Pflasterungen abgesichert, so dass die beiden schweren Herbststürme vom 10. und 12. Oktober deutlich machten: "Das Projekt ist sturmflutsicher!" Mit großem Eifer (man sprach von Dammbau-Euphorie) konnten bis zum Frühjahr 1927 die Arbeiten für den Bahnkörper auf dem Damm fertiggestellt werden, worauf am 1. Juni 1927 die Einweihung des Dammes und der Bahnstrecke nach Sylt erfolgte.

Der erste Sonderzug, dem noch am selben Tage planmäßige Züge folgten, brachte den
Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (mit großem Gefolge) nach Westerland. Nachdem er um 10.20 Uhr in Klanxbüll den neuen Weg nach Sylt für eröffnet erklärt hatte, gab die Stadt ein Festbankett. Dr. Hans Pfeiffer wurde als "Meister des Dammbaus" gewürdigt, und der Damm selber erhielt als "gewaltiges, kulturtechnisches und wirtschaftliches Werk" den Namen des Reichspräsidenten: Hindenburgdamm.
Als großes Werk der Wasserbautechnik hat der Damm bisher den schweren Angriffen der Nordsee widerstanden.

Ohne die Bahnanlagen kostete er 18,5 Millionen Reichsmark. Aus 3,6 Millionen Kubikmeter Erdreich und Steinen entstand der Weg 1927 nach Sylt: 11 km lang, 50 m breit und bis 7 m hoch. Der Reisende erlebt bei der kurzen Uberfahrt 4 Jahre Kampf mit dem Meer. (aus Kompass Wanderbuch H. Jessel)

 

Mein Tipp: Wer Sylt besuchen will, reist am besten mit der Bahn - allein der Autotransport über den Damm ist sehr teuer und kostet etwa bereits halbsoviel als würde man mit dem ICE-Sparpreisticket der DB (=Preis 2002) direkt von Süddeutschland bis Westerland auf Sylt reisen.

Dort ist es empfehlenswert Fahrräder zu mieten und die Insel auf der alten Trasse der ehemaligen Inselbahn zu entdecken. Diese Trasse ist fast durchwegs als Radweg umgebaut und zieht sich vom äußersten Norden der Insel über rund vierzig Kilometer bis nach Hörnum an der Südspitze.

Für den Eisenbahnfreund ist die Spurensuche nach der alten Inselbahn interessant - zumal neben Schmalspurdampfloks auch die legendären Borgward-Omnibusse auf Schienen unterwegs waren. Den älteren Eisenbahnfreunden sind diese merkwürdigen Fahrzeuge mit der Nivea-Werbung sicher noch in Erinnerung. Darüber gibts Literatur wie z. B. von Hans Jürgen Stöver im Eigenverlag "Die Kleine Sylt Serie" in vier Bänden über die Inselbahn. * Wie ich inzwischen von Frau Christa Stöver, der Tochter des Autors erfahren habe, gibt es diese Bücher nahezu nur noch privat und wurden bisher leider nicht mehr aufgelegt. Das Archiv besteht aber weiterhin und Frau Stöver ist gerne bereit bei Anfragen weiterzuhelfen soweit es ihr möglich ist.

Am Westerländer Bahnhof ist allerdings von der Inselbahn außer eine Achse am Bahnhofsvorplatz nichts mehr zu sehen. Dafür herrscht aber bei der großen Bahn reger Betrieb - bis zu 120 Züge befahren täglich die Strecke zwischen Sylt und dem Festland. Alles muß mit der Bahn transportiert werden, denn auf dem Landweg gibt es keine andere Möglichkeit. Bei den Triebfahrzeugen handelt es sich hauptsächlich um 218er aus Lübeck, die meist in Doppeltraktion eingesetzt werden (Stand 2001). Zwischen Morsum und Keitum ist die Strecke eingleisig, was für den Betriebsablauf sehr von Interesse ist. Vom Festland entlang der Bahnlinie nach Sylt über den Damm zu wandern ist nicht angeraten, denn das Betreten des Dammes ist verboten. Von Morsum aus führt aber ein Radweg bis zum Dammanfang (siehe obiges Foto). Von dort aus kann man den Zugbetrieb sehr gut beobachten.

In den kommenden Jahren werden die 218er abgelöst, neue Fahrzeugtypen werden dann ein interessantes Bild abgeben.