- Beim "Bouhoffs Juschpess" in Schopfloch -

Erinnerungen von Willi Dauberschmidt an das Bahnhofsrestaurant in Schopfloch und ein Beitrag von 1. Bürgermeister a.D. Hans-Rainer Hofmann, der sich intensiv mit der Geschichte Schopflochs und vor allem der lachoudischen Sprache beschäftigt

Willi Dauberschmidts Vater war der Wirt (Juschpess) der Bahnhofsgaststätte - das Wort Juschpess bedeutet Gastwirtschaft und stammt aus dem Lachoudischen, einer Geheimsprache die in Schopfloch heute noch von älteren Leuten gesprochen wird.

Bahnhofsrestauration Schopfloch

Bahnhofs-Restauration und Metzgerei von Fritz Dauberschmidt um 1927

 

 


Lachoudisch – Händler- und Geheimsprache in der Bahnhofswirtschaft

ein Beitrag von 1. Bürgermeister a.D. Hans-Rainer Hofmann

Die Bahnhofstraße hieß bis zum Bau der Bahnstrecke und des Bahnhofes in Schopfloch, beides erfolgte um 1870, Judengasse. In dieser wohnten die meisten Juden in Schopfloch. Die Umbenennung der Straße hatte aber nichts damit zu tun, dass man etwas gegen die Juden gehabt hätte,  sondern die Bedeutung der Anbindung des Ortes an die Bahn gab den Anlass zu der Änderung des Straßennamens. Damit brachte man zum Ausdruck, dass man an die „große weite Welt“ angeschlossen war. Die Änderung des Straßennamens wurde auch vom Bezirksamt und vom Rabbinat genehmigt.

Gegenüber des Bahnhofes befand sich die „Bahnhofsrestauration“, Inhaber Friedrich Dauberschmidt. Die Bahnhofswirtschaft war Treffpunkt der Juden am Sabbat, sie feierten dort diesen Tag beim Kartenspiel.

Die ansässigen Juden waren größtenteils Viehhändler oder betrieben Handelschaft mit Stoffen. (Von der Landwirtschaft alleine durften sie sich nicht ernähren. Somit waren sie auf einen weiteren Erwerb angewiesen.) Die Muttersprache der Juden war deutsch. Wenn man sie nicht verstehen sollte, sprachen sie eine Mischung aus hebräisch und jiddisch. Diese Händler- und Geheimsprache heißt Lachoudisch. Der Name kommt von loschen und hakodesch. Loschen bedeutet Sprache (Zunge) und hakodesch heißt heilig. Tatsächlich kommt diese Sprache, wenn auch verballhornt, zum Teil aus der heiligen Schrift.

Die Viehmärkte fanden meist am Samstag statt, also am Sabbat. An diesem Tag durften die Juden nicht arbeiten, also nicht handeln und ebenso nicht mit Geld umgehen.

Sie bedienten sich der Schmuser. Uns bekannt durch das Verdienen von Schmusgeld bei der Vermittlung eines Geschäftes. So war es auch hier. Die Juden sprachen in ihrer hebräischen und jiddischen Sprache und weihten die Schmuser in diese ein. So konnten sie sich verständigen ohne dass Außenstehende etwas verstehen konnten.

Die Schmuser, vorwiegend Metzger, die ja etwas vom Vieh verstanden, fuhren in die benachbarten Reichsstädte Dinkelsbühl und Feuchtwangen zum Viehmarkt und handelten für die Juden. Diese warteten, während sie Sabbat feierten und sich, wie bereits erwähnt, die Zeit mit Kartenspiel vertrieben, im Wirtshaus am Bahnhof. Nach dem Handel fuhren die Schmuser wieder zurück und teilten den Juden mit, was sie in ihrem Auftrag gehandelt hatten.

Das hörte sich dann so an:

„Anie hob aufm Markt für dich g`hannicht. Bore und kaserem worn bsoll. Aber die schore, die worn jackres. So hob i g`hannicht: bejs kasserem und echode bore. Die kasserem für olf schuck und jusgimmel pschiedem es littre und die bore für olf schuck und kaffbejs pschiedem es littre“. [1]

Sagt der Jude darauf: „So eine mezie, du bist ein joufner schmuser. Du bekommst dafür hej schuck fürn g`hannichten rosch und einen Vesper und echode Maß schäecher“. [2]

Der Jude weiter zu den am Nachbartisch sitzenden Bauern, die das Gespräch mit angehört hatten:

„Hej, kafriechem, eine mezie [3], da müsst ihr sofort kaufen. So billig war das Vieh ja seit langem nicht mehr. Das Schwein zu einer Mark und fünfunddreißig Pfennig und die Kuh um eine Mark und zweiundvierzig Pfennig“.

Die Bauern, haben eingeschlagen und überteuert gekauft, weil sie die Händler- und Geheimsprache nicht verstanden hatten.

 

Aber auch manche Schopflocher, vornehmlich die Pendler, die sich vom Sonntagabend bis zum Samstagnachmittag an ihren Arbeitsstätten in Nürnberg und Stuttgart befanden und sich vor der Abfahrt bzw. nach ihrer Ankunft im Bahnhofswirtshaus trafen, haben mit der Zeit die Geheimsprache gekannt und sich dieser bedient.

 

Die Schopflocher Maurer waren bekannt als fleißige und gute Maurer und deshalb begehrt bei Einsätzen, bei denen es um Terminarbeiten ging, und vor allem wenn zuverlässige Arbeit gefordert war. So wurden die Maurerarbeiten für das Justizgebäude in Nürnberg, das Mutterhaus in Neuendettelsau, den jetzigen Sitz des Landesbischofs in der Meiserstraße in München, das Schloss Baldern im Ries, um nur einige zu nennen, erledigt.

 

Die Schopflocher unter sich, vor allem wenn Pendler von den benachbarten Orten zuhörten, haben miteinander in der Lachoudischen Sprache ausgemacht in welchem Wirtshaus sie sich am Abend nach der Arbeit treffen werden, um ungestört zu sein. So konnten folgende Gespräche stattfinden:

„Schejchets, du wirst es net glauben, etz is mei ische scho widder moberes. Dann hebbe mir scho hej kouhne. Do hob i dann nimmer so viel masammunen, dass ich jeden Abend schäecher und soreff schasgene konn“. [4]

Der andere: „Ach, schejchets, wos senn scho hej kouhne, mei ische is etz es jus`te Mol baddisch. Desweng holch ich doch a no mit ins juschbes. Ich malouch halt am Sunntoch in der Nachberschaft, oder bei der maschbueche, wenn an am bajes wos zu mauern is, do helf ich mit für a paar schuck“. [5]

 

So in etwa hat es sich der Überlieferung nach in der Bahnhofsgaststätte in Schopfloch zugetragen. Es war bestimmt sehr oft für die Gäste, die der Lachoudischen Sprache nicht mächtig waren, amüsant zuzuhören, wie sich die Schopflocher untereinander bzw. mit den Juden in der Händler- und Geheimsprache Lachoudisch unterhalten haben.

 

Buchtipp: „Lachoudisch sprechen“. [6]

 

[1] Ich habe auf dem Markt für dich gehandelt. Kuh und Schwein waren billig. Aber die Ochsen, die waren teuer. So habe ich gehandelt: Zwei Schweine und eine Kuh. Die Schweine für eine Mark und dreizehn Pfennig das Pfund und die Kuh für eine Mark und zweiundzwanzig Pfennig das Pfund.

[2] So eine Gelegenheit, du bist ein guter Schmuser. Du bekommst dafür fünf Mark für jeden gehandelten Kopf (pro Stück Vieh) und einen Vesper und eine Maß Bier.

[3] Hej, Bauern, eine Gelegenheit, ...

[4] Freund, du wirst es nicht glauben, jetzt ist meine Frau schon wieder schwanger. Dann haben wir schon fünf Kinder. Da habe ich dann nicht mehr so viel Geld, dass ich jeden Abend Bier und Schnaps trinken kann.

5] Ach Freund, was sind schon fünf Kinder, meine Frau ist das zehnte Mal schwanger. Deswegen gehe ich doch auch noch mit ins Wirtshaus. Ich arbeite halt am Sonntag in der Nachbarschaft, oder bei der Verwandtschaft, wenn an einem Haus was zu mauern ist, da helfe ich mit für ein paar Mark.

[6] „Lachoudisch sprechen“, eine Sprache zwischen Gegenwart und Vergangenheit, mit Wörterverzeichnis, von Hans-Rainer Hofmann; Tel.: 0981/4 66 38 21, Fax: 0981/4663822, eMail: hans-rainer.hofmann@t-online.de

 

 

In einem Modell hat Willi Dauberschmidt seine Erinnerungen an den Bahnhof Schopfloch und dessen Umfeld festgehalten

Von Gleis 1 durchfährt gerade der "Reichsstädte-Express", ein VT 98 welcher von Rothenburg o. T. gekommen ist ohne Halt den Bahnhof Schopfloch in Richtung Dinkelsbühl zur Weiterfahrt nach München. Die Dampflok mit zwei Donnerbüchsen auf Gleis 2 wartet noch auf die Ausfahrt nach Dombühl.

Modell Schopfloch Willi Dauberschmidt

Rechts an der Böschung steht noch der alte Ziehbrunnen

Bahnhof mit Bahnofsrestauration Schopfloch

Das Bahnhofsrestaurant mit seinen Nebengebäuden - Schlachthaus, Schuppen und Scheune rechts im Bild. Dem Bahnhofsgebäude gegenüber, direkt in der Böschung stand damals das Hühnerhaus. Im Vordergrund die zweigleisige Brücke über die Straße nach Weidelbach.

Die Kouhne (lachoudisch = Kinder) spielten in der Zeit nach dem Krieg oft am Ladeplatz hinter der Güterhalle. An der Böschung hatten sie sich eine Rutschbahn gebaut. Am Ladeplatz neben der Güterhalle lag sehr viel Kriegschrott herum, und so besorgte man sich eine Blechplatte und rutschte auf dem lehmigen Dreck die Böschung von der heutigen "Dackel"-Siedlung herunter. Auch sehr viel Grubenholz, welches zum Abtransport ins Ruhrgebiet vorgesehen war, wurde hier gelagert. Damit bauten sich die Kouhne Geheimgänge und Verstecke. Heute nennt man so etwas Abenteuerspielplatz.

Güterhalle mit Bahnhof Schopfloch

Oberhalb des Bahnhofes wurden seinerzeit noch Felder bewirtschaftet. In den sechziger Jahren errichtete man dort die sogenannte "Dackel"-Siedlung. "Dackel"-Siedlung deshalb, weil dort fast in jedem Haus ein kleiner Hund, Dackel oder ähnliches als Haustier gehalten wurde. Die Böschung hinterm Bahnhof war damals recht kahl, heutzutage wuchern dort Schlehen und Haselnussbüsche. Die kleinen Bauern waren seinerzeit um jeden Quadratmeter froh, den sie abweiden konnten um den kleinen Viehbestand zu versorgen. So konnte Willi Dauberschmidt vom Giebelfenster seines Elternhauses das ganze Bahnhofsareal bis zur Brücke bei der Neumühle einsehen. In den letzten Kriegstagen beobachtete er dabei auch die deutschen Soldaten, welche an der Bahnbrücke die Sprengsätze anbrachten um die Bahnstrecke durch eine sinnlose Sprengung der Brücke zu unterbrechen.

Kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner in Schopfloch, so erzählt Willi Dauberschmidt, stand am Schopflocher Bahnhof ein Militärzug mit einer defekten Lok als plötzlich aus Richtung Larrieden kommend ein einzelnes amerikanisches Aufklärungsflugzeug auftauchte. Das Flugzeug wurde von der Wachmannschaft des Zuges sofort unter Feuer genommen. So schnell wie der Flieger gekommen war, verschwand er auch wieder. Man befürchtete nun, dass es nicht lange dauern würde bis der Zug nochmals beschossen würde. Deshalb schob man mit Eisenstangen, die man sonst zum Verschieben der Güterwagen auf dem Ladegleis benutzte, den ganzen Zug mit vereinten Kräften aus dem Bahnhofsbereich in Richtung Feuchtwangen bis zum Einschnitt hinter der Bahnbrücke. Die Vermutung, dass die Amis wieder kommen würden bewahrheitete sich bald. Mehrere Flugzeuge flogen den Bahnhof von Lehengütingen her kommend an und entluden ihre tödliche Fracht. Die Bomben trafen den Bahnhof aber nicht direkt. Ein Wohnhaus in der Bahnhofsstraße ging in Flammen auf und im Garten der Bahnhofswirtschaft verursachte eine detonierente Bombe einen tiefen Trichter, wobei die Fensterscheiben des Gasthauses zu Bruch gingen. Weitere Einschläge gab es auf den Feldern oberhalb des Bahnhofes in der jetzigen Siedlung. Westlich des Bahnhofs auf dem heutigen Gelände des Geflügelzuchtvereins lagen allerdings einige Blindgänger. Schopflocher Bürger mussten später unter Lebensgefahr die Blindgänger bergen und mit einem Handwagen abtransportiern, während die Amerkaner mit einem Jeep in sicherem Abstand folgten.

VT 98 als "Reichsstädte-Express2 in Schopfloch

Zwischen Empfangsgebäude und Bahnwärterhaus sind im Hintergrund die Häuser der Bahnhofsstraße - früher Judengasse - zu erkennen, das Backsteingebäude mit dem spitzen Dachaufsatz ist die ehemalige Zimmerei Hutmann.

 

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